Der heute selbstverständliche Schutz des Staates gegenüber dem Bürger war früher völlig unbekannt. Vor Raub, Plünderung, Überfall und allen damit zusammenhängenden Gewalttaten gab es nur einen Schutz - die Selbsthilfe. Um diese Selbsthilfe wirksamer zu gestalten, befestigten die Städte das engere Stadtgebiet; wo das nicht möglich war, errichteten die Landesherren eine Burg. Die Verteidigung der befestigten Städte und Burgen blieb überwiegend aber immer Aufgabe der Bürger. Zu diesem Zweck schlossen sich schon sehr früh die Bürger zusammen, um sich gemeinsam im Gebrauch der Waffen zu üben um so der ihnen zufallenden Aufgabe der Verteidigung gewachsen zu sein. Reiche Bürger dienten zu Pferde. Als Waffen wurden Schwert, Lanze (Picke), Bogen und Pfeil, später Armbrust und Büchse benutzt. Diese Waffenvielzahl wurde erst im Jahre 1616 vereinfacht, da von diesem Jahre an jeder Bürger der Stadt Fredeburg im Besitze eines eigenen Gewehrs sein mußte. Aus alten Urkunden ist ersichtlich, daß sich der Dienst meistens in einen Wachdienst und einen Schützendienst gliederte. Die Bezeichnungen, die sich diese, auf der vorerwähnt geschilderten Grundlage gebildeten Gemeinschaften gaben, waren sehr verschieden. In den meisten Fällen dürfte aber wohl die Bezeichnung Bürgerwehr gewählt worden sein. Später findet man auch die Bezeichnungen Schützengilde und Schützenbruderschaft. Diese wiederum dürften aber ohne Zweifel aus der früheren Bürgerwehr hervorgegangen sein und ihre Umbenennung meist nur der Wahl eines kirchlichen Patrons verdanken zu haben. In vielen Fällen wurde St. Sebastian als Patron gewählt, wodurch die häufige Wiederkehr einer Sebastianus-Bruderschaft erklärlich wird.
Wann sich in der Stadt oder in der Burg Fredeburg die Bürger zu einer Bürgerwehr zusammengeschlossen haben, läßt sich urkundlich leider nicht mehr feststellen. Die Tatsache des Bestehens einer Bürgerwehr läßt sich aber aus den verschiedensten Urkunden jederzeit Nachweisen.
... die Belagerung Fredeburgs erwähnt, die am 22.10.1444 endete, nachdem der Burghauptmann der Vredeburg - Goddert v. Hanxleden - durch einen Pfeilschuß zu Tode gekommen war. Noch am gleichen Tage schlossen die Verteidiger der Burg einen Waffenstillstand und verpflichteten sich, die Burg nach zehn Tagen zu übergeben unter der Bedingung, daß den Burgmannen und den Bürgern freier Abzug gewährt werde. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß die Bürger auf der Burg während der vier Monate dauernden Belagerung Gäste dort waren. Es dürfte wohl eher zutreffen, daß sie Waffen trugen und die Burgmannen in ihrem Kampfe tatkräftig unterstützten. Ob sie diesen Kampf einzeln oder aber in einer als Bürgerwehr zusammengeschlossenen Gemeinschaft geführt haben, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls betrachtet die St. Georg-Schützenbruderschaft Fredeburg - nicht ganz zu Unrecht - den gefallenen Goddert v. Hanxleden als Vorkämpfer, der schon im Jahre 1444 Fredeburger Bürgerschützen im Kampf um Haus und Heimat angeführt hat.
Die Tatsache einer bewaffneten Bürgergemeinschaft in grauer Vorzeit wird aber auch noch durch folgendes bewiesen. Unmittelbar nach der Übernahme der Burg bestätigte 1445 Ditrich von gottes gnaden Der heiligen Kercken zu Cölln Ertzbischof, des Römischen Reiches in italien Ertzcantzler, Hertzogh zu Westphalen und zu Engern Fredeburg die städtischen Privilegien, deren Vorhandensein vor ihm im Jahre 1423 Adolf van goitz gnaden hertzouge van Cleve und greve van der Marke schon einmal bestätigt hatte.
Als Folge dieser Privilegien führte man schon sehr früh das Bürgerrecht ein, das sehr streng und äußerst genau gehandhabt wurde. Den hiermit verbundenen Vergünstigungen standen aber auch Verpflichtungen gegenüber. So waren alle Bürger verpflichtet, bei Ertönen der Glocke sich ohne Verzug im Stadthause einzufinden. Aus der ferneren Verpflichtung, nach Leistung des Bürgereids einen Ledernen Eimer zur Feuerbekämpfung anzuschaffen, ist weiter zu ersehen, daß der Bürgerwehr nicht nur Aufgaben der Verteidigung sondern auch Aufgaben der Feuerbekämpfung oblagen.
Die Bürgerwehr bestand trotz der mehrfachen Kriegswirren noch bis zu den napoleonischen Kriegen. Als im Frühjahr 1797 die französische Armee erneut anrückte und allerlei verdächtiges Volk das Sauerland unsicher machte, ordnete der Rat in Fredeburg an, daß eine Wache der Bürgerwehr von 9 Uhr abends bis 4 Uhr morgens in der Stadt und auf dem Ohl auf alle verdächtigen Personen achten und auf alle Flüchtigen feuern solle. Im August 1797 besetzten die Franzosen Stadt und Land Fredeburg. Bald darauf wurde die Bürgerwehr entwaffnet und aufgelöst. Die abgenommenen Waffen wurden auf Befehl des französischen Kommandanten am 1. Juli 1798 nach Siegen gebracht.
Es folgten unruhige Zeiten, die sich erst besserten, nachdem Fredeburg 1802 an den Landgrafen von Hessen Darmstadt und 1806 an Preußen gekommen war. Nähere Nachrichten über das Wiederaufleben der Bürgerwehr nach ihrer im Jahre 1798 erfolgten Entwaffnung liegen leider nicht vor. Eines ist aber bestimmt: Mit der fortschreitenden Sicherung des Staates gegenüber seinen Bürgern und deren Lebensverhältnissen verloren die Bürgerwehren in zunehmdendem Umfange an Bedeutung. Die ihnen früher obgelegene Schutz- und Verteidigungsaufgabe ging auf bezahlte Kräfte und auf ein gut organisiertes Heer über. Es ist daher nicht verwunderlich, daß auch in Fredeburg - ebenso wie in der näheren und weiteren Umgebung - der Wehrgedanke immer mehr zurücktrat und einer friedliche Auffassung Platz machte, die mehr auf fröhliche und gesellige Veranstaltungen hinzielte.